21 I „Generalbevollmächtigte ohne Mandat“: Akteure, Kontaktgruppen und Zielgruppen der Kulturdiplomatie im Kalten Krieg (1945–1991)

 
6. April 2018
14:30–16:00
Seminarraum 4


Olga Nikonova (Tscheljabinsk)
„Fesseln“ der Freundschaft: sowjetische Intellektuelle als Träger der Kulturdiplomatie während des Kalten Krieges


Eric Burton (Wien)
Navigating Global Socialism: Tanzanian Students in and beyond the German Democratic Republic 
><  Vortrag in englischer Sprache


Oksana Nagornaia (Tscheljabinsk)
„Unsere Deutschen“: Ostdeutsche Studierende in der UdSSR im Kalten Krieg und die blockinterne Kulturdiplomatie

 

Seit dem Erscheinen des Pionierwerks von Paul Hollander über die politischen Pilger im Jahre 1981 wurde die Frage der agency in der Kulturdiplomatie im transnationalen Kommunikationsraum der bipolaren Welt zu einem „heißen Thema“ in der geschichtswissenschaftlichen Landschaft. In ihm fließen verschiedene Überlegungen zusammen: zu den Wechselbeziehungen der kulturdiplomatischen Akteure mit den Institutionen der Macht und zum Grad ihrer persönlichen Freiheit; zu der Rolle der parteistaatlichen Kontrolle und des Einflusses, den die Sicherheitsorgane auf die Tätigkeit der gesellschaftlichen Organisationen und der Freundschaftsgesellschaften hatten; zu den Funktionen von Wissenschaftlern, Künstlern, Sängern und Touristen als „Kulturträger“ und „Generalbevollmächtigte ohne Mandat“ in den zwischenstaatlichen Beziehungen. Deshalb leistet die Erforschung der agency in der Kulturdiplomatie einen wichtigen Beitrag zu aktuellen Diskussionen über die Rolle der private-state networks in den zwischenstaatlichen Wechselbeziehungen und in der transkulturellen Kommunikation sowie zur Erschaffung eines interdisziplinären Forschungsverständnisses in den Bereichen der internationalen Beziehungen und der transnationalen und globalen Geschichte.



Dieses Panel wurde vom ZGT18-Team um einen Vortag erweitert.

 

Chair: Andrea Brait (Innsbruck)

Olga Nikonova (Tscheljabinsk): „Fesseln“ der Freundschaft: sowjetische Intellektuelle als Träger der Kulturdiplomatie während des Kalten Krieges

Die Jahre des Kalten Krieges waren von der Intensivierung der kulturellen Kontakte zwischen Ländern mit unterschiedlichen sozialen Systemen geprägt. Die aktiven Teilnehmer der Kommunikation waren die Kulturschaffende. Im Parteistaat fanden sie sich oft in einer Konfliktsituation als das persönliche Interesse an westlicher Kultur und Gesellschaft die offizielle Haltung zur Bekämpfung des Kosmopolitismus oder des Antiamerikanismus widersprach. Im Mittelpunkt des Berichts stehen die berühmten Kultur- und Wissenschaftsfiguren, wie Vladimir Kemenov, Agniya Barto oder Konstantin Fedin, deren öffentliche Aktivitäten mit den Institutionen der Kulturdiplomatie verbunden waren. Es wird untersucht, wie  sowjetische Intellektuelle in die interkulturelle Kommunikation integriert wurden, ihre kulturdiplomatische Karriere. Es wird einen Versuch unternommen, aufgrund der offiziellen Dokumenten und persönlichen Nachlässen ihre Motivation zu analysieren.

Eric Burton (Wien): Navigating Global Socialism: Tanzanian Students in and beyond the German Democratic Republic

This talk investigates tensions and dynamics in global socialism through a focus on the circulation of students between Tanzania and East Germany between the late 1950s and 1990. Combining a multi-archival approach with oral history techniques, it discusses political subjectivities of Tanzanian students as they travelled through the Cold War world. The variation in students’ ideological allegiances and willingness to comply with authorities is related not only to superpower rivalries and competing visions of socialism, but also to changing political and socioeconomic contexts. It analyses disciplinary techniques and everyday strategies of advancement and survival which explain why most students complied with official requirements in areas of ideology and political activism. Based on these findings, the paper concludes that an analytical framework which spans several decades and pays attention to dynamics in the country of origin sheds new light on agency and mobility between “East,” “West” and “South” in the global Cold War.

Vortrag in englischer Sprache

Oksana Nagornaia (Tscheljabinsk): „Unsere Deutschen“: Ostdeutsche Studierende in der UdSSR im Kalten Krieg und die blockinterne Kulturdiplomatie

Die DDR-Studierenden, die seit 1951 ihr Studium an den sowjetischen Hochschulen annahmen, bildeten einen wichtigen Teil der ostdeutschen Gesellschaft, der reale Erfahrungen mit der Sowjetunion und der propagandistisch gestalteten „sozialistischen Gemeinschaft“ gemacht hatte. Die sowjetischen und ostdeutschen Behörden betrachteten die Auslandsstudenten als ein zuverlässiges Kaderreservoir, aber auch als einen wichtigen Einflusskanal der blockinternen Kulturdiplomatie. Der Vortrag wird u.a. folgende Fragen diskutiert: Welche Konzepte und Instrumente der Kulturdiplomatie wurden von beiden Seiten durchgesetzt, um das Bild der DDR als des umerzogenen Feind von gestern im transnationalen Raum sowjetischer Hochschulen zu vermitteln und eine Erfolgsgeschichte der sozialistischen Integration nach innen und nach außen zu präsentieren Wie deuteten die Studenten selbst diese Botschaften um und welche Züge nahm die inoffizielle Kulturdiplomatie im sowjetischen bzw. ostdeutschen Alltag an?