24 I Perspektiven nationalsozialistischer Täterinnen und Täter: Fotografie, Film und Ausstellung


6. April 2018
14:30–16:00
Seminarraum 8


Sarah Kleinmann (Dresden)
NS-Täterinnen und NS-Täter in Ausstellungen. Eine Analyse in Deutschland und Österreich


Lukas Meissel (Haifa)
Täterfotografie. SS-Fotos aus Konzentrationslagern


Nils Olger (Wien)
Eiserne Kassette – Fotodokumente eines Arztes der Waffen-SS

 

Der heutige Umgang mit NS-Täterinnen und NS-Tätern erzeugt bzw. zeigt spezifische Vorstellungen von der Vergangenheit. Das Panel widmet sich nationalsozialistischen Täterinnen und Tätern im Spiegel von Ausstellungen, Film und Fotografie. Sarah Kleinmann stellt die Repräsentation nationalsozialistischer Täterinnen und Täter in sieben aktuellen Dauerausstellungen in Deutschland und Österreich in den Mittelpunkt ihres Vortrages. Dabei zeigt sie welche Deutungen dabei für das Handeln der Täterinnen und Täter gegeben werden und inwiefern genderspezifische Darstellungen vorliegen. Lukas Meissel präsentiert seine Forschungen zu SS-Fotografien aus KZs, analysiert Aufnahmen und interpretiert diese als Bildgenres, die von den SS-Fotografen zur Visualisierung ihrer Lager benutzt wurden. Die Fotos sind – so seine These – Teil der Verbrechen sowie Manifestationen des Blickes der Täterinnen und Täter. 377 Kleinbild-Negative aus dem Nachlass seines Großvaters dienen Nils Olger als Grundlage eines Dokumentarfilms. Ausgehend von den Entstehungsorten der Fotos rekonstruiert er die Verwicklung des Großvaters in Verbrechen der Waffen-SS als Knipser und Abteilungsarzt Walter Reders und hinterfragt die anschließende Strategie des Schweigens.



Dieses Panel wurde vom ZGT18-Team aus Einzeleinreichungen zusammengestellt.

 

Chair: Marion Krammer (Wien)

Sarah Kleinmann (Dresden): NS-Täterinnen und NS-Täter in Ausstellungen. Eine Analyse in Deutschland und Österreich

Im Vortrag werde ich meine Dissertation vorstellen, in deren Rahmen ich die Darstellungen nationalsozialistischer Täterinnen und Täter in sieben ständigen Ausstellungen analysiert habe. Es handelt sich um die Ausstellungen folgender Institutionen: KZ Gedenkstätte Mauthausen, Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim, KZ Gedenkstätte Mittelbau-Dora, Gedenkstätte Grafeneck, Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, Erinnerungs- und Gedenkstätte Wewelsburg und Dokumentation Obersalzberg. Methodisch erfolgte die Analyse durch eine dichte Beschreibung der Expositionen und durch Interviews mit Ausstellungsverantwortlichen. Anhand exemplarischen Materials sollen die Ergebnisse dargelegt und weiterführende Überlegungen angestellt werden.

Lukas Meissel (Haifa): Täterfotografie. SS-Fotos aus Konzentrationslagern

Thema des Vortrages sind Fotografien, die von SS-Männern in Konzentrationslagern aufgenommen wurden. Im Zentrum des Vortrages steht die Analyse von ausgewählten Fotos unter Verwendung der seriell-ikonographischen Fotoanalyse von U. Pilarczyk und U. Mietzner. Diese mehrstufige Methode erlaubt es, große Bildbestände zu sichten und einzelne Fotos repräsentativ zu untersuchen. Das Ziel ist, mit Hilfe dieser Analyse Bildgenres herauszuarbeiten, die von den SS-Fotografen zur Visualisierung ihrer Lager benutzt wurden. Diese Genres verweisen auf ideologische Vorstellungen und praktische Funktionen hinter den Fotos. Im Sinne von G. Paul folgt der Vortrag also einem über eine Untersuchung des bloßen Bildinhaltes hinausgehenden theoretischen Verständnisses von Visual History und erlaubt somit Erkenntnisgewinne abseits der illustrativen Funktion bildlicher Quellen: Die SS-Fotos sind nicht nur Visualisierungen der Taten, sondern Teil des Verbrechens und Manifestationen des Blickes der Täterinnen und Täter.

Nils Olger (Wien): Eiserne Kassette – Fotodokumente eines Arztes der Waffen-SS

Die ‚Eiserne Kassette’ steht für die aus dem Familiengedächtnis verbannte Verstrickung der Großeltern Nils Olgers in den Nationalsozialismus. Belastende Dokumente wurden beiseitegeschafft und in einer Metallkassette jahrzehntelang im Wandschrank verborgen. Der Fund von 377 Kleinbild-Negativen im Nachlass bildet den Schlüssel zur verdrängten Familiengeschichte und ist Ausgangspunkt des Dokumentarfilms. Anhand von Ego-Dokumenten, Interviews, Militär- und Justizakten und Recherche im Internet sowie vor Ort konnte der Entstehungszusammenhang der Negative rekonstruiert werden. Sie folgen chronologisch der Spur des Großvaters als Abteilungsarzt Walter Reders in der 16. SS-Panzergrenadierdivision „Reichsführer-SS“ zwischen März 1944 bis Mai 1945. Diese führt von der Besatzung Ungarns zu Kriegsverbrechen an italienischen Zivilisten bis zur Hochzeit der Großeltern einen Tag vor Kriegsende. Der Film bricht mit dem Schweigen und zeigt eine Täterbiografie aus den hinteren Reihen.