26 I Akademiker als Wegbereiter des Nationalsozialismus in Österreich. Neue Aufschlüsse aus Netzwerk- und Sozialstrukturanalysen

 
6. April 2018
16:30–18:00
Seminarraum 5


Andreas Huber (Wien)
NS-Wegbereiter im Wiener Bürgertum. Die Mitglieder des Deutschen Klubs 1919–1939 und ihre Rolle nach dem „Anschluss“


Kamila Staudigl-Ciechowicz (Wien)
Universitäre Disziplinarverfahren und nationalsozialistische Gesinnung
(Vortrag entfällt)


Kurt Bauer (Wien)
Die NSDAP, eine Akademikerpartei?


Hanno Rebhan (Wien)
Die Demokratie, die keiner wollte? Die Demokratieverständnisse der politischen Parteien in der Ersten Republik Österreich 1918–1933

 

Nachdem im Juli 1931 beim „Deutschen Studententag“ in Graz die nationalsozialistischen Studierenden aufgrund ihrer Wahlsiege zu den Vorsitzenden gewählt wurden, soll Adolf Hitler gesagt haben: „Wenn eines mich an den Sieg der Bewegung glauben lässt, so ist es der Vormarsch des Nationalsozialismus in der Studentenschaft.“ Tatsächlich mehrten sich in den letzten Jahren die lange verdrängten Hinweise, dass der Nationalsozialismus insbesondere an den Hochschulen und Universitäten wichtige Brutstätten in Österreich fand und vor allem in akademischen Vereinen und Netzwerken gedieh. Dieses Panel soll der These nachgehen, dass die NSDAP in Österreich (und insbesondere in Wien) in den Jahren vor dem „Anschluss“ tatsächlich weniger eine Partei der Arbeiter als eine der Akademiker und des (Bildungs-)Bürgertums war. Zugleich sollen anhand von Fallbeispielen die Aktivitäten dieser Vereine und Netzwerke (u.a. zur Ausgrenzung von jüdischen und „linken“ Personen) vorgestellt werden.



Dieses Panel wurde vom ZGT18-Team um einen Vortag erweitert.

 

Chair: Klaus Taschwer (Wien)

Andreas Huber (Wien): NS-Wegbereiter im Wiener Bürgertum. Die Mitglieder des Deutschen Klubs 1919–1939 und ihre Rolle nach dem „Anschluss“

Der 1908 gegründete Deutsche Klub war nicht nur der wichtigste Sammelpunkt der deutschnationalen Bewegung in Österreich, er entwickelte sich – infolge einer zunehmenden Radikalisierung nach dem Ersten Weltkrieg – spätestens ab 1930 zu einem Hort des Nationalsozialismus. Einige seiner Mitglieder waren nicht nur führend am „Juliputsch“ beteiligt, der Verein war auch die einflussreichste Organisation im März 1938 und mit fünf Mitgliedern im sogenannten Anschlusskabinett vertreten. Der Beitrag widmet sich einerseits der Sozialstruktur und Mitgliederentwicklung in der Zwischenkriegszeit und der Frage, wie sich die politischen Entwicklungen ab 1933 (u.a. NSDAP-Verbot, „Juliabkommen“) auf das Gefüge des Vereins auswirkten. Der zweite Teil fokussiert die Rolle des Deutschen Klubs für den Nationalsozialismus in Österreich und damit auch die Besetzung von zahlreichen Leitungspositionen 1938 (Burgtheater, Nationalbibliothek, Nationalbank, etc.,) für die nicht zuletzt Reichsstatthalter und Klubmitglied Arthur Seyß-Inquart verantwortlich zeichnete.

Kamila Staudigl-Ciechowicz (Wien): Universitäre Disziplinarverfahren und nationalsozialistische Gesinnung

Bereits in den frühen 1920er–Jahren unterstützen akademische Würdenträger und ranghohe Vertreter der Universität Wien öffentlich antisemitische und rassistische Forderungen der akademischen Jugend. Ein jahrelanges Mitglied des Akademischen Senats Wenzel Gleispach war für seinen „Radauantisemitismus“ gar international berüchtigt. Vor dem Hintergrund der organisationsrechtlichen Struktur und disziplinarrechtlichen Bestimmungen analysiert der Beitrag unter Auswertung von 101 Disziplinaranzeigen den Stellenwert ideologisch-politischer Einflüsse und Netzwerke im Rahmen der universitären Disziplinarverfahren. Untersucht wird nicht nur die Rolle antisemitischer Netzwerke auf die Verfahren, sondern auch die Frage, inwiefern nationalsozialistische Betätigung disziplinarrechtliche Folgen hatte. Im Fokus stehen dabei die Disziplinaruntersuchungen gegen Lehrende und AssistentInnen der Universität Wien, abgerundet wird der Beitrag mit ausgewählten Beispielen an studentischen Disziplinarfällen.

Kurt Bauer (Wien): Die NSDAP, eine Akademikerpartei?

Der Beitrag analysiert die sozialstrukturelle Zusammensetzung der illegalen NS-Bewegung 1933–1938 anhand der Personendaten von NS-Häftlingen der österreichischen Anhaltelager, von illegalen Nationalsozialisten aus Wien und von Beteiligten des Juliputsches 1934. Die NSDAP erweist sich als sozial höchst komplex strukturiertes Gebilde, zu dem sich – in unterschiedlichem Ausmaß – alle Schichten und Milieus hingezogen fühlten. Man könnte sie durchaus als erste „moderne“ Volkspartei bezeichnen, wie sie nach 1945 in Österreich und vielen europäischen Ländern entstehen sollten. Eines fällt besonders auf: der extrem hohe Anteil an absolvierten Akademikern und Studenten in den Eliten und Führungsschichten der Partei. So etwa lässt sich die Wiener NSDAP der illegalen Phase (und davor) geradezu als Partei des nicht-jüdischen Bildungsbürgertums und des akademisch gebildeten Mittelstandes bezeichnen.

Hanno Rebhan (Wien): Die Demokratie, die keiner wollte? Die Demokratieverständnisse der politischen Parteien in der Ersten Republik Österreich 1918–1933

Dieser Vortrag, dessen Basis ein Dissertationsvorhaben am Institut für Zeitgeschichte Wien darstellt, widmet sich den unterschiedlichen Verständnis- und Zugangsweisen der politischen Parteien der Ersten Republik Österreich zum Begriff „Demokratie".
Ziel dieses Vortrags ist es, die divergierenden Demokratieverständnisse innerhalb der Parteien, die Antagonismen zwischen den Parteien sowie deren vollkommen unterschiedliche Ziele der „idealen Demokratie" statt der existenten parlamentarischen Demokratie aufzuzeigen. So sahen die Sozialdemokraten die ideale Demokratie bzw. den idealen Staat im „demokratischen Sozialismus", die Christlichsozialen in der „wahren Demokratie", die Großdeutschen in der „nationalen Demokratie", der Landbund in der „Bauerndemokratie" und die Heimwehren im „Volksstaat der Heimwehren" und im „einigen deutschen Ständestaat".
Diese zeithistorische Analyse steht auf der Basis einer begriffsgeschichtlichen Untersuchung von Brunner, Conze und Koselleck.