42 I Auschwitz in Österreich – Österreich in Auschwitz

 
7. April 2018
16:00–17:30
Seminarraum 5


Albert Lichtblau (Salzburg)
Das Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau zwischen Alltagstourismus und Aufklärung


Hannes Sulzenbacher (Wien)
Entfernung: Österreich in Auschwitz (Auschwitz in Österreich). Die Neugestaltung der österreichischen Länderausstellung im Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau


Christiane Rothländer (Wien)
Österreicher_innen in der Wachmannschaft des Lagerkomplexes des KZ Auschwitz

Barbara Staudinger (St. Pölten)
Auschwitz als Metapher. Wie gegenwärtig ist Auschwitz?

 

„Auschwitz in Österreich – Österreich in Auschwitz“ spürt den zeithistorischen und gegenwärtigen Verbindungslinien zwischen diesen beiden Orten in verschiedenen Kontexten nach. Der Funktion von Auschwitz als Symbol für den Holocaust an sich, als Metapher des Schreckens und moralische Instanz des Gewissens entspricht die heutige Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau als Ort des Massentourismus. Trotz der Symbolkraft des Ortes und Veranstaltungen wie dem „March of the Living“ scheinen die Fäden zwischen Österreich und Auschwitz abgerissen zu sein. Keine Ausstellung erzählt in Österreich von Auschwitz. Die neue Ausstellung in der Gedenkstätte versucht die Verbindung zwischen den beiden Orten wieder herzustellen, die Geschichten wieder miteinander zu verknüpfen: durch eine kuratorische Grundidee und ihre gestalterische Umsetzung, nicht zuletzt aber auch durch die Geschichten österreichischer Täter_innen in Auschwitz.

 

Chair: Béla Rásky (Wien)

Albert Lichtblau (Salzburg): Das Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau zwischen Alltagstourismus und Aufklärung

Mit mehr als zwei Millionen Besuchenden jährlich gerät das Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau an seine Kapazitätsgrenzen. Gleichzeitig müssen Besucherströme geleitet und der Ort des ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslagers kommuniziert werden. Der Lagerkomplex Auschwitz vermittelt sich als Museumslandschaft im ehemaligen Stammlager, als Weite von Auschwitz-Birkenau und als unzugänglicher, vergessener Ort (Auschwitz-Monowitz).
Wie wird an diesen Orten was kommuniziert und wie rezipieren Besuchende das Angebotene? Das Spektrum reicht von geführten Rundgängen mit Kopfhörern bis hin zu obsessivem Fotografieren und Erstellen von Selfies vor ikonografischen „Highlights“. Zur Wahrnehmung gehört die Verwendung des Ortes als Bühne, sei es für Papstbesuche oder dem „March of the Living“, an dem auch Schüler_innen aus Österreich alljährlich teilnehmen. Nicht zuletzt wird gefragt, wie derartige Beobachtungen in die Neugestaltung der österreichischen Ausstellung einfließen.

Hannes Sulzenbacher (Wien): Entfernung: Österreich in Auschwitz (Auschwitz in Österreich). Die Neugestaltung der österreichischen Länderausstellung im Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau

Für die europaweite Ausschreibung wurde vom Ausstellungsteam (B. Johler, A. Lichtblau, C. Rothländer, B. Staudinger, H. Sulzenbacher) ein Konzept mit dem Titel „Entfernung. Österreich in Auschwitz – Auschwitz in Österreich“ vorgelegt, das eine miteinander verbundene Doppelausstellung, ein Teil in Österreich, ein Teil in Auschwitz vorsah. Es ging dabei darum, den Anfang des zeithistorischen Narrativs in Österreich und sein Ende in Auschwitz miteinander zu verbinden, die Objekte jedoch an dem Ort zu belassen, an den sie gehören. Die Grundidee des ersten Konzepts war die Zusammenführung zweier Erinnerungsorte, der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau und des Heldenplatzes in Wien. Dieses Konzept, das die österreichische Ausstellung in Auschwitz mitten in die städtische Gegenwart geholt hätte, konnte jedoch zum Wettbewerb nicht zugelassen werden. Unter dem neuen Titel „Entfernung. Österreich in Auschwitz“ wurde ein verändertes Konzept eingereicht, das den Wettbewerb für sich entschied.

Christiane Rothländer (Wien): Österreicher_innen in der Wachmannschaft des Lagerkomplexes des KZ Auschwitz

„Belonging to the nation“ betitelte John J. Kulczycki seine jüngst erschienene Studie zur „Inclusion and Exclusion in the Polish-German Borderlands, 1939–1951“. Ebenso ist hinsichtlich der Untersuchung der Österreicher_innen innerhalb der Wachmannschaft des Lagerkomplexes des KZ Auschwitz die Frage nach der Möglichkeit, aber auch Sinnhaftigkeit einer Kategorisierung der Österreicher_innen zu stellen. Denn würde eine Beschränkung auf die österreichische Staatsbürgerschaft vor dem „Anschluss“ zu kurz greifen bzw. wäre eine etwa auf Muttersprache, Herkunft und kulturelle Prägung angelegte Untersuchung zu weit gefasst? Gerade im Falle der „Österreicher_innen“ ist diese Frage aufgrund der geschichtlichen Entwicklung im Zusammenhang mit dem Untergang der k.u.k. Monarchie sowie der 1918 wechselnden politischen Ausrichtungen und Stimmungslagen in Politik und Gesellschaft virulent. Wer waren bzw. sind also die Österreicher_innen in der Wachmannschaft des Lagerkomplexes des KZ Auschwitz?

Barbara Staudinger (St. Pölten): Auschwitz als Metapher. Wie gegenwärtig ist Auschwitz?

Auschwitz ist gegenwärtig – sei es als Metapher, sei es als Moralkeule, die wahllos gebraucht werden kann, um, wie im Falle der Performance „Auschwitz on the Beach“ (Franco Bifo Berardi, documenta 2017), das Gewissen wachzurufen. Auschwitz ist nicht nur die Bezeichnung für das größte Konzentrations- und Vernichtungslager des Deutschen Reiches, es steht symbolhaft für den Holocaust, es steht für den Zivilisationsbruch, es ist der Sammelbegriff für die schrecklichsten aller Gräuel. Keine Holocaust-Ausstellung kommt an Auschwitz vorbei und Auschwitz wird immer bemüht, wenn es darum geht, Vergleiche zur Gegenwart zu ziehen, insbesondere um junge Menschen zu adressieren.
Wie hat dies unsere Wahrnehmung von Auschwitz verändert? Ist es zum Bilderbuch des Horrors geworden, aus dem man sich jederzeit bedienen kann? Ist es als Bestseller des Holocaust-Business nicht auch zur Metapher dafür geworden? Und wie findet sich Auschwitz in der österreichischen Erinnerungskultur wieder?