16 I Universitäten in Bewegung: Die österreichischen Hochschulen in den 1960er–Jahren

 
6. April 2018
9:00–10:30
Seminarraum 8


Thomas König (Wien)
Eine neue Generation nimmt Stellung: Die österreichischen Intellektuellen und die Hochschulen  


Maria Wirth (Wien)
Neue Universitäten – ein Beitrag zur Reform des österreichischen Hochschulsystems?


Paulus Ebner (Wien)
„Parlamentarische“ und „außerparlamentarische“ studentische Protestformen an österreichischen Hochschulen in den 1960er– und 1970er–Jahren

 

In den 1960er–Jahren begann in Österreich das politische Paradigma zu greifen, dass neue wissenschaftliche Erkenntnisse positiv auf Wirtschaft und Gesellschaft einwirken, Nationen in einem Wettbewerb um beste Köpfe stehen und das Bildungsniveau der Bevölkerung sich in steigendem Wohlstand und individuellem Erfolg niederschlagen würden. Zugleich war kaum eine Institution derart im Misskredit wie die Hochschulen. Für unterschiedliche Akteure wurden die Hochschulen zum Ort ihrer Interessensartikulation. Das Panel nimmt die daraus resultierenden Reformbemühungen zwischen Utopien und Beharrung systematisch in den Blick.

Die drei Vorträge beschäftigen sich mit unterschiedlichen Dimensionen der Hochschulreform: den Interventionen einer neuen Generation von Intellektuellen, die die Hochschulen als den natürlichen Ort ihrer Interessen betrachteten, den Reformbestrebungen, wie sie in der Kritik der Studierenden laut wurden und der Gründung neuer Universitäten in Verbindung mit der Frage, welche Innovationen sie für das österreichische Universitätssystem bringen sollten.

Chair: Juliane Mikoletzky (Wien)

Thomas König (Wien): Eine neue Generation nimmt Stellung: Die österreichischen Intellektuellen und die Hochschulen

In den 1960er–Jahren wuchs in Österreich eine neue Generation von Intellektuellen heran, die sich von ihren Vorgängerinnen deutlich unterschied: erstmals waren sie im Lichte einer wenn auch restriktiven demokratischen Kultur herangewachsen, hatten die Werte einer neuen offenen Gesellschaft kennen- und schätzen gelernt. Doch sie nahmen auch wahr, dass das Nachkriegsösterreich in einer Krise war: der politische Kompromiss der großen Koalition, der Ressortaufteilung und der Sozialpartnerschaft schien nicht mehr zu funktionieren. Als zentrale Orte der Kritik und der Zukunftshoffnung kristallisierten sich schnell die Hochschulen heraus. Nach langen Jahren kulturkonservativer Hegemonie war ihr etabliertes Personal nicht mehr in der Lage, die neue intellektuelle Herausforderung zu stemmen. Der Beitrag analysiert die intensiven Debatten, welche um die Zukunft der Hochschulen für Österreich geführt wurden – und welche unterschiedliche Ideale für die Republik insgesamt beinhalteten.

Maria Wirth (Wien): Neue Universitäten – ein Beitrag zur Reform des österreichischen Hochschulsystems?

Die 1960er– und 1970er–Jahre waren europaweit von einer Expansion des Hochschulwesens gekennzeichnet. Auch in Österreich ist es mit der Gründung der Universitäten in Salzburg, Linz und Klagenfurt zu einer in der Geschichte der Republik einmaligen Erweiterung des Universitätssystems gekommen. Damit wurden nicht nur Hochschulbestrebungen verwirklicht, die vor Ort zum Teil weit in die Vergangenheit zurückreichten. Es wurden auch Schritte gesetzt, um zusätzliche Bildungsreserven zu erschließen und die Chancengleichheit zu erhöhen. Doch was sollte das spezifisch Neue an den Hochschulgründungen sein, welche Reformdiskussion war mit ihrer Etablierung verbunden, welche Innovationen sollten von ihnen ausgehen und welche Rolle sollten sie im Hochschulsystem spielen? Der Vortrag versucht diese Fragen mit einem Fokus auf die Universität Linz zu beantwortet und wagt dabei auch einen Blick auf die weitere Entwicklung der österreichischen Universitätsgründungen der 1960er–Jahre.

Paulus Ebner (Wien): „Parlamentarische“ und „außerparlamentarische“ studentische Protestformen an österreichischen Hochschulen in den 1960er– und 1970er–Jahren

Die rechtliche Situation der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) und ihre innere Organisation boten Spielraum für eigenständige Aktivitäten, aber die großen Protestaktionen der frühen 1960er–Jahre wären eigenständig nicht zu organisieren gewesen. Ein kurzer Blick auf das bis in die späten 1960er–Jahre/frühen 1970er–Jahre sehr konstant bleibende Wahlverhalten der Studierenden ergänzt die Rekonstruktion der Bedingungen, unter denen in der zweiten Hälfte der 1960er–Jahre auch in Österreich studentische Unruhe zum Motor einer Universitätsreform wurde. Im Spannungsfeld zwischen offizieller Studierendenvertretung und reformorientierten „außerparlamentarischen“ Gruppen gerieten die starren Wahlergebnisstrukturen ins Rutschen.