31 I Auf dem Weg zu einer internationalen Geschichte Österreichs im Kalten Krieg

 
7. April 2018
9:00–10:30
Seminarraum 7


Maximilian Graf (Wien/Florenz)
Europäische Entspannung und das Ende des Kalten Kriegs: Die Überwindung des „Eisernen Vorhangs“ in Mitteleuropa in Langzeitperspektive


Elisabeth Röhrlich (Wien)
Internationale Organisationen im Kalten Krieg: Die IAEA zwischen Ost-West-Kooperation und Nord-Süd-Spannungen


Sarah Knoll (Wien)
Kalter Krieg und Flucht: Österreichs Umgang mit Flüchtlingen aus kommunistischen Regimen 1956 bis 1989/90

 

Die internationale Geschichte Österreichs im Kalten Krieg ist in weiten Teilen ein Forschungsdesiderat. Während zur Besatzungszeit Studien vorliegen, die dem Ansatz der internationalen Geschichte entsprechen, wurde darüber hinaus lange nur zu punktuellen Tiefenbohrungen (z.B. zu den Krisen an Österreichs Grenzen) angesetzt. Die wenigen Längsschnittstudien arbeiteten in der Regel die bilateralen Beziehungen Österreichs zu sozialistischen Staaten auf. In Österreich wird die Relevanz des Landes im Kalten Krieg zwar mythisiert memoriert, von der Forschung aber mitunter bezweifelt. Neue Themen blieben lange Zeit unterbelichtet und größere Zeiträume wurden kaum bearbeitet. Die hier vorgestellten international ausgerichteten Forschungen verfolgen den gegenteiligen Ansatz: Sie nehmen die gesamte Dauer des Kalten Kriegs in den Blick und verorten die österreichische Geschichte in den aktuellen Diskussionen der Cold War Studies zu Entspannungspolitik, Flucht und internationalen Organisationen.

 

Chair: Wolfgang Mueller (Wien)

Maximilian Graf (Wien/Florenz): Europäische Entspannung und das Ende des Kalten Kriegs: Die Überwindung des „Eisernen Vorhangs“ in Mitteleuropa in Langzeitperspektive

Aktuell wird in den Cold War Studies eine hitzige Debatte über die Intentionalität der Folgen des Politikansatzes „Wandel durch Annäherung“ geführt. Während eine Seite die Überwindung der Teilung Europas als Ziel betont und eine direkte Linie von der „neuen Ostpolitik“ zur deutschen Einheit sieht, spricht die andere von Überschätzung und teleologischem Unsinn. Dieser Vortrag nimmt eine Mittelposition ein: Er zeigt anhand der Interaktionen zwischen Österreich, Ungarn und den beiden deutschen Staaten auf, wie sehr europäische Entspannungspolitiken und gesellschaftliche Kontakte zwischen Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnung und Bündniszugehörigkeit den „Eisernen Vorhang“ seit den 1960er-Jahren durchlässiger und schließlich obsolet machten. Gleichzeitig wird deutlich, dass diese von Politik und Menschen getragene Entwicklung danach strebte den geteilten Kontinent lebenswerter zu machen und nicht auf die kaum für möglich gehaltene Veränderung des politischen Status quo abzielte.

Elisabeth Röhrlich (Wien): Internationale Organisationen im Kalten Krieg: Die IAEA zwischen Ost-West-Kooperation und Nord-Süd-Spannungen

Der Institutionengeschichte haftet der Ruf des Altbackenen an: Vielen gilt sie als langweilig und, insbesondere wenn es sich um Auftragsstudien handelt, als wenig innovative Auseinandersetzung mit Geschichte. Methodisch spannende Arbeiten zur Geschichte internationaler Organisationen kamen lange überwiegend aus den Politikwissenschaften. In den letzten Jahren hat sich das geändert und sowohl die Globalgeschichte als auch die internationale Geschichte gaben wichtige Impulse zur Erforschung internationaler Organisationen nach 1945. Dieser Vortrag widmet sich der Geschichte der ältesten und größten internationalen Organisation in Österreich: der International Atomic Energy Agency (IAEA). Auf Basis neu für die Forschung zugänglicher Akten sowie Oral-History-Interviews wird gezeigt, wie Ost-West-Kooperation und Nord-Süd-Spannungen das scheinbar paradoxe Mandat der IAEA – die Verbreitung ziviler Atomtechnologie ohne deren militärische Nutzung zu fördern – prägten.

Sarah Knoll (Wien): Kalter Krieg und Flucht: Österreichs Umgang mit Flüchtlingen aus kommunistischen Regimen 1956 bis 1989/90

Österreichs Umgang mit Flüchtlingen aus kommunistischen Regimen ist von einer gewissen Ambivalenz gekennzeichnet. Als selbsternanntes „Tor in den Westen“ pflegte man das Image eines Landes mit einer besonders liberalen Asylpolitik. Dass Österreich, trotz seiner umfangreichen Bereitschaft Hilfsmaßnahmen für politische Flüchtlinge durchzuführen, vor allem als Transitland fungieren wollte, wird dabei gerne ausgeblendet. Der Vortrag analysiert, ausgehend von den großen Fluchtbewegungen (Ungarn 1956, Tschechoslowakei 1968, Polen 1981/82, DDR 1989, Rumänien 1989/90), Österreichs Haltung bei deren Bewältigung. Berücksichtigung finden dabei die Wechselwirkungen zwischen staatlichen Maßnahmen und jenen von NGOs sowie die Reaktionen der Öffentlichkeit. Darüber hinaus erfolgt eine internationale Verortung, denn Österreich war stets um Unterstützung durch internationale Organisation, wie dem UNHCR, bemüht und die Reaktionen können nicht ohne den Ost-West Gegensatz im Kalten Krieg gedacht werden.