35 I Geschichte quergelesen. Amateurfilme im interdisziplinären Spannungsfeld zwischen Zeitgeschichte und Kulturwissenschaften

 
7. April 2018
11:00–12:30
Seminarraum 7


Sandra Ladwig (Wien)
Über Möglichkeiten und Grenzen des Amateurfilm(en)s


Sarah Lauß (Wien)
Zu einer Ikonografie des Besonderen im Alltäglichen. Eine motivische Spurensuche in ambitionierten Amateurfilmen


Michaela Scharf (Wien)
Filmische Selbstinszenierungen im Nationalsozialismus

 

Die visuelle Zeit- und Kulturgeschichte hat den Amateur- bzw. nicht-professionellen Film als Gegenstand ihrer Forschung lange vernachlässigt. Parallel zur Zunahme privater Filmaufnahmen auf Webportalen wie YouTube rückten historische Filmaufnahmen in den Fokus wissenschaftlicher Beschäftigung und archivarischer Tätigkeit. Die seitens der Filmarchive intensivierte Sammlung und Digitalisierung von Amateurfilmen macht diese lebensgeschichtlichen Dokumente nun erstmals zugänglich. Dies stellt insbesondere die Geschichtswissenschaft vor neue Herausforderungen, gilt es doch, die oftmals nur fragmentarisch überlieferten und nicht für die Öffentlichkeit produzierten Quellen für die historische Forschung fruchtbar zu machen. Das Panel geht der Frage nach, welche Möglichkeiten eine multiperspektivische Herangehensweise für eine Beschäftigung mit privaten Filmdokumenten bietet und verknüpft dabei Methoden der Visual History mit Ansätzen aus der Film- und Kunstwissenschaft.

 

Chair: Monika Bernold (Wien)

Sandra Ladwig (Wien): Über Möglichkeiten und Grenzen des Amateurfilm(en)s

Im Gegensatz zu heutigen medialen Aufzeichnungspraktiken waren die Aktivitäten von FilmamateurInnen – zumindest bis zur Einführung von Super 8 – nicht nur mit beachtlichen finanziellen Ausgaben verbunden, sondern erforderten darüber hinaus die Aneignung von Kenntnissen der Schmalfilmtechnik. In dem Beitrag sollen Ratgeberliteratur sowie konkrete Filmbeispiele veranschaulichen, mit welchen (technischen) Schwierigkeiten und (ästhetischen) Möglichkeiten vor allem die frühen AmateurInnen konfrontiert waren, um die Erwartungen an ein ,sehenswertes‘ filmisches Resultat zu erfüllen. Dafür nutzten und beachteten die LiebhaberInnen das ihnen zur Verfügung stehende Vokabular und die ,Grammatik des Films‘. Kurzum, sie verwendeten die vergleichsweise komplexe Medientechnik in höchst unterschiedlichem Maße. Unter diesen Gesichtspunkten wird die Ambivalenz von Amateurfilm – „als Zeugnis historischer Begebenheiten und ästhetische Stellungnahme zur Welt“ (Mattl, Loebenstein) – diskutiert.

Sarah Lauß (Wien): Zu einer Ikonografie des Besonderen im Alltäglichen. Eine motivische Spurensuche in ambitionierten Amateurfilmen

Familie, Freizeit und Lebensraum bilden die thematischen Schwerpunkte im Bildrepertoire des Amateurfilms. Was einen intimen Einblick in den lebensgeschichtlichen Alltag verspricht, ist dabei nicht nur die Wiederholung des Immergleichen. Der Beitrag fokussiert sowohl auf die kulturelle sowie historische Bedeutung von Motiven als auch auf deren spezifisch filmische Umsetzung im Kontext eines ambitionierten Amateurismus. Anhand einer ikonografischen Analyse ausgewählter Beispiele aus den 1920er- bis 1940er-Jahren werden die im ambitionierten Amateurfilm vorherrschenden Themen, Motive und Darstellungsweisen in ihrer Entwicklung beobachtbar und Wandel oder Konstanz von medienspezifischen Bildmustern und -stilen deutlich gemacht. Die Verdichtungen im Motiv- und Formenrepertoire ambitionierter AmateurfilmerInnen sollen als zentrale Bildtypen vorgestellt und so ein Beitrag zur Ikonografie des österreichischen Amateurfilms geleistet werden.

Michaela Scharf (Wien): Filmische Selbstinszenierungen im Nationalsozialismus

Der Vortrag widmet sich der Analyse historischer Formen der Selbstdarstellung in ambitionierten Amateurfilmen aus der Zeit des Nationalsozialismus. Die Produktion privater Bewegtbilder wird mit Michel Foucault als „Technologie des Selbst“, als eine Praxis der Subjektkonstitution verstanden, die es in Abhängigkeit von den spezifisch technologischen Bedingungen des Mediums zu untersuchen gilt. Im Zentrum der Ausführungen stehen sowohl die von Handbüchern und Ratgebern zur Amateurfilmpraxis empfohlenen Motive bzw. Gestaltungsvorschläge als auch das tatsächliche Filmschaffen der AmateurInnen. Anhand ausgewählter Filmbeispiele der 1930er- bis 1940er-Jahre untersucht der Beitrag insbesondere die Adaption nationalsozialistischer Symbolik im österreichischen Amateurfilm und fragt nach den spezifischen Visualisierungsstrategien der FilmemacherInnen, mit denen sie ihr Verhältnis zum NS-System inszenieren.