14 I Museen in krisenhaften Zeiten: Washington, Brüssel, Bonn, Wien

 
6. April 2018
9:00–10:30
Seminarraum 5


Dirk Rupnow (Innsbruck)
„We are all Americans“? Zur Musealisierung US-amerikanischer Geschichte in Washington, DC

Heidemarie Uhl (Wien)
Wie die Vision einer gemeinsamen europäischen Geschichte ausgestellt wird. Das „Haus der europäischen Geschichte“ in Brüssel

Monika Röther (Bonn)
Geschichte(n) erzählen und Demokratie vermitteln im Museum und am historischen Ort

Monika Sommer (Wien)
„Haus der Geschichte Österreich“ – im Aufbruch!

 

Eine Reihe von Neugründungen/Eröffnungen fallen in unruhige politische Zeiten: Die Eröffnung des „National Museum for African American History and Culture“ an der National Mall in Washington fand nur anderthalb Monate vor dem Wahlsieg Trumps statt, der die Rückkehr einer rassistischen Politik weißer Vorherrschaft markiert; das „Haus der Europäischen Geschichte“ in Brüssel wurde knapp ein Jahr nach dem „Brexit“-Votum eröffnet, in einem durch die sogenannte „Flüchtlings-“ oder „Migrationskrise“ zerstrittenen Europa mit regional immer stärker werdenden nationalistischen und auch autoritären Tendenzen. Währenddessen wird in Österreich die lange diskutierte Errichtung eines „Hauses der Geschichte Österreich“ vorbereitet, rechtzeitig zum Republikjubiläum 2018 – und ebenfalls in einer politischen Umbruchphase. Unter Einschluss des deutschen Beispiels will das Panel aktuelle Entwicklungen historischer Museen vorstellen und diskutieren, wie sie als Institutionen der Geschichtsvermittlung den gesellschaftlichen und politischen Veränderungen und Herausforderungen der Gegenwart begegnen.

 

Chair: Oliver Rathkolb (Wien)

Dirk Rupnow (Innsbruck): „We are all Americans“? Zur Musealisierung US-amerikanischer Geschichte in Washington, DC

Nach mehr als zehnjähriger Vorbereitungszeit und etwa 100 Jahre nach dem ersten Aufkommen der Idee wurde im September 2016 das National Museum of African American History eröffnet. Der letzte freie Platz an der National Mall in Washington, dem zentralen Erinnerungsort der USA, ist damit verbaut. Es steht neben den anderen zentralen historischen Museen: dem National Museum of American History, der National Portrait Gallery, dem US Holocaust Memorial Museum und dem National Museum of the American Indian. Die hegemoniale US-Geschichtserzählung setzt sich aus dem Geflecht dieser Museen zusammen – sie zerfällt in unterschiedliche Stränge, die unverbunden nebeneinanderstehen. Das National Museum of American History mit seinen fragmentierten Teilausstellungen, von dem eigentlich ein zusammenfassendes Narrativ zu erwarten wäre, repräsentiert währenddessen die unerzählte Leerstelle im kollektiven Gedächtnis. Die gegenwärtige Museumslandschaft in der US-Hauptstadt wird zu lesen versucht vor dem Hintergrund von Trumps rassistischer und misogyner Politik männlicher weißer Vorherrschaft.

Heidemarie Uhl (Wien): Wie die Vision einer gemeinsamen europäischen Geschichte ausgestellt wird. Das „Haus der europäischen Geschichte“ in Brüssel

Im Mai 2017 wurde das lange erwartete „Haus der europäischen Geschichte“ in unmittelbarer Nähe des EU-Parlaments eröffnet. Die Struktur und inhaltliche Ausrichtung macht dieses Museum zum singulären Projekt einer offiziösen europäischen Geschichtsdarstellung. Die Initiative ging vom EU-Parlament aus, dem wissenschaftlichen Beirat gehörten HistorikerInnen und ExpertInnen der Mitgliedsländer der EU an. Der Eröffnung der Dauerausstellung konnte man daher mit Spannung entgegensehen: Wie werden die unterschiedlichen nationalen und weltanschaulichen Perspektiven in der Ausstellung austariert, wie wird der Konflikt um den Vergleich von Holocaust- und GULag-Gedächtnis, der immerhin zur Installierung von zwei offiziellen europäischen Gedenktagen geführt hatte, in der musealen Performance verhandelt, wie trägt man den 24 Amtssprachen der EU Rechnung? Und wie positioniert sich die Ausstellung gestalterisch im Rahmen des internationalen Booms historischer Ausstellungen und Museen, wobei vor allem das 2016 eröffnete National Museum of African American History and Culture neue Maßstäbe setzt.

Monika Röther (Bonn): Geschichte(n) erzählen und Demokratie vermitteln im Museum und am historischen Ort

Digitaler Wandel und Globalisierung, Terroranschläge, Flüchtlingskrise und ein wankendes Europa hinterließen auch in Deutschland eine gesellschaftliche Gefühlslage der Verunsicherung. Diffuse Ängste offenbaren sich in emotional geführten politischen und gesellschaftlichen Debatten. In vermeintlich schwierigen Zeiten steigt die Nachfrage nach einfachen Erklärungen, wie die aufstrebenden populistischen Parteien sie bereithalten. Dies zeigt: Drängende Fragen der Gegenwart in größeren Zusammenhängen zu diskutieren und demokratische Prozesse verständlich zu machen, ist auch knapp 30 Jahre nach dem Ende der zweiten deutschen Diktatur eine zentrale Aufgabe historischer Museen in Deutschland. Doch können die bewährten Institutionen der historisch-politischen Bildung überhaupt Schritt halten mit dem schwindelerregenden Tempo der global vernetzten Welt von heute? Wie lässt sich das Bewusstsein für demokratische Werte im Museum und am historischen Ort vermitteln? Diesen Fragen widmet sich der Beitrag am Beispiel der vier Museen der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Monika Sommer (Wien): „Haus der Geschichte Österreich“ – im Aufbruch!

Es ist so weit: Das „Haus der Geschichte Österreich“ entsteht. Nach jahrzehntelangen Debatten um seine Konzeption hat es Mitte Februar dieses Jahres seine konkrete Arbeit aufgenommen. Der kulturpolitische Auftrag lautet eine Ausstellung anlässlich des 100jährigen Jubiläums der Gründung der Republik 2018 zu konzipieren und zu realisieren. Der Beitrag thematisiert Erwartungshaltungen an die neue Museumseinrichtung und stellt diesen die konkreten Rahmenbedingungen gegenüber. Ist das „Haus der Geschichte Österreich“ ein Symptom für Österreichs Verhältnis zu seiner republikanischen Geschichte?