22 I Wissenschaft im Dienste des Nationalsozialismus

 
6. April 2018
14:30–16:00
Seminarraum 5


Ilse Korotin (Wien)
„daß der deutsche Geist lebendiger und fruchtbarer ist denn je“. Philosophen im „Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften“ („Aktion Ritterbusch“ – 1940–1945)


Kamila Uzarczyk (Wrocłww)
„Ihr Denken ist klar, sie erfasst sicher das Wesentliche“: Hildegard Hetzer’s studies on children selected for ‘re-germanization’
><  Vortrag in englischer Sprache


Petra Svatek (Wien)
„Geographie im Dienste des Nationalsozialismus“: Das Geographische Institut der Universität Berlin 1933–1945  


Claudia Kuretsidis-Haider (Wien)
Nazifizierung und Entnazifizierung an der Tierärztlichen Hochschule Wien

 

Der Vortrag von Ilse Korotin thematisiert den im Zeitraum 1940 bis 1945 laufenden, interdisziplinär angelegten „Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften“ und konzentriert sich dabei auf die „Hauptgruppe Philosophie“. Zur Sprache gelangen informelle und institutionelle Netzwerke sowie auch die in diesem Zusammenhang produzierten zahlreichen Publikationen.
Kamila Uzarczyk referiert über die medizinisch-psychologischen Untersuchungen von Kindern, die während des Nationalsozialismus im Rahmen der „Umsiedlungs- oder Germanisierungspolitik“ von der österreichischen Psychologin Hildegard Hetzer für eine mögliche Pflege oder Adoption durch deutsche Familien ausgewählt wurden.
Im Vortrag von Petra Svatek wird die Verbindung der Geographen des Geographischen Instituts der Universität Berlin mit der NS-„Lebensraum“- und Expansionspolitik analysiert. Es wird nach den Karrieren der Akteure sowie nach Projekten und Publikationen gefragt, die während des Nationalsozialismus durchgeführt wurden.
Claudia Kuretsidis-Haider setzt sich in ihrem Vortrag mit der Nachkriegsgeschichte der Tierärztlichen Hochschule in Wien und den Entnazifizierungsmaßnahmen des Lehrpersonals nach 1945 auseinander. Die Hochschule wird in einem rechts- und gesellschaftspolitischen Kontext analysiert.



Dieses Panel wurde vom ZGT18-Team aus Einzeleinreichungen zusammengestellt.

 

Chair: Katharina Kniefacz (Wien)

Ilse Korotin (Wien): „daß der deutsche Geist lebendiger und fruchtbarer ist denn je“. Philosophen im „Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften“ („Aktion Ritterbusch“ – 1940–1945)

Der Vortrag konzentriert sich auf den als ‚interdisziplinäre Gemeinschaftsarbeit‘ konzipierten „Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften“ („Aktion Ritterbusch“), welcher im Zeitraum 1940 bis 1945 unter der Gesamtleitung des Rechtsphilosophen und Rektors der Kieler Christian-Albrechts-Universität Paul Ritterbusch zur Planung und Durchführung kam.
Hier soll das Zusammenspiel von Wissenschaft, Ideologie und Politik und deren Verschränktheit anhand einer Auswahl der in erheblicher Anzahl vorgelegten Publikationen diskursanalytisch erschlossen werden. Als weiterer Komplex wird – ausgehend von der Biografie des aus Graz stammenden Leiters der „Hauptgruppe Philosophie“ Ferdinand Weinhandl nach – auch über 1945 hinaus − wirkungsmächtigen Akteuren und deren informellen und institutionalisierten Netzwerken gefragt.

Kamila Uzarczyk (Wrocłww): „Ihr Denken ist klar, sie erfasst sicher das Wesentliche“: Hildegard Hetzer’s studies on children selected for ‘re-germanization’

Intelligence testing dates back to the late nineteenth century and studies on decline of children’s mental abilities during the school day, conducted by Hermann Ebbinghaus at the University of Breslau. While Ebbinghaus focused mostly on memory skills, his followers in the early twentieth century completed IQ testing by adding sentence completion exercises and evaluation of imaginary, creative and manual skills of examined children.
Important contribution to psychological evaluation of children was made by Austrian psychologist Hildegard Hetzer, who worked out a series of tests to assess intellectual and social development of small children. In 1942 she was delegated to Posen and Brockau (Warthegau), where she participated in examination of children selected for “resettlement” or germanization.
In my presentation I’ll focus on medico-psychological examination of children considered “worthy of re-germanization”, with special consideration to Hetzer’s psychological testing of a group of children chosen for potential foster care or adoption by German families.

Vortrag in englischer Sprache

Petra Svatek (Wien): „Geographie im Dienste des Nationalsozialismus“: Das Geographische Institut der Universität Berlin 1933–1945

Der Vortrag soll sich mit der Verbindung zwischen den Geographen des Geographischen Instituts der Universität Berlin und der NS-„Lebensraum“- und Expansionspolitik auseinandersetzen. Im ersten Teil werden alle Personen und ihre individuelle Einstellung zum Regime und der Einfluss der NS-Herrschaft auf ihre jeweiligen Karrieren analysiert. Der zweite Teil des Vortrages setzt sich schließlich mit der Frage auseinander, welche Projekte und Publikationen in einem direkten Zusammenhang mit der NS-Politik standen. Die Vortragende geht dabei von der These aus, dass keiner der Geographen zumindest offiziell dem NS-Regime kritisch gegenüberstand und sie ihre Forschungen in den Dienst der Sache stellten. So profilierten sich zum Beispiel Georg Wüst (1890–1970) als Leiter der „Marinegeographischen Arbeitsgemeinschaft“ im Reichsforschungsrat und Julius Büdel (1903–1983) als Leiter der Abteilung „Geographie und Volkstum“ am Institut für Heimatforschung der Universität Berlin in Schneidemühl.

Claudia Kuretsidis-Haider (Wien): Nazifizierung und Entnazifizierung an der Tierärztlichen Hochschule Wien

Rund um das 650-jährige Bestehen der Universität Wien haben zahlreiche Fakultäten ihre Geschichte aufgearbeitet, vielfach lag der Fokus auf der NS-Zeit. Die Veterinärmedizinische Universität Wien hat sich zwei Jahre danach ebenfalls zu einer Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit entschlossen. In einem mehrjährigen Projekt der Forschungsstelle Nachkriegsjustiz wird u.a. die Nachkriegsgeschichte der Tierärztlichen Hochschule (TiHo) in einem rechts- und gesellschaftspolitischen Kontext beleuchtet.
65% der Professoren an der TiHo Wien waren NSDAP-Mitglied. Das NS-Gesetz 1947 brachte für einen Großteil von ihnen das Ende der gegen sie eingeleiteten Entnazifizierungsmaßnahmen und eröffnete vielen den Weg zur universitären Re-Integration.
Der Vortrag behandelt folgende Aspekte:
Grundlagen der Entnazifizierung in Österreich, Nazifizierung des Lehrpersonals an der TiHo Wien und Entnazifizierungsmaßnahmen (Quantifizierung und Vergleich mit der Uni Wien) sowie Strafprozesse gegen Angehörige der TiHo.