1 I Vom Umgang mit digitalen Daten in (online) Archiven, der Wayback-Machine und sozialen Medien

 
5. April 2018
12:30–14:00
Seminarraum 4


Wolfram Dornik (Graz)
Kommt das „Digital Dark Age“? Digitale Überlieferungsbildung und Perspektiven einer Historiographie in der Zukunft

Eva Pfanzelter (Innsbruck)
Das Erzählen von Geschichte(n) mit Daten aus der Wayback-Machine


Eugen Pfister (Wien)
Was heißt und zu welchem Ende analysiert man historische Diskurse in Social Media?



Die seit einigen Jahrzehnten laufenden Diskussionen darüber, dass die ersten zwanzig Jahre des Internets nicht rekonstruierbar seien und damit ein Teil des kulturellen Erbes unwiederbringlich verloren geht, haben das Bewusstsein dafür geschärft, dass auch das Internet mit seinen multimedialen, multimodalen, synchronen und asynchronen, kontinuierlich veränderbaren Eigenschaften eigener Archivierungspraktiken bedarf. Diese werden allerdings erst langsam greifbar und so steht die historische Zunft vor methodischen und analytischen Schwierigkeiten, wenn es konkret um die Archivierung, Zugänglichkeit und Nutzung von digitalen Daten geht. Fragen der Quellenkritik, der Zusammenstellung von Untersuchungskorpora und nach Möglichkeiten, daraus Geschichte zu generieren, drängen sich auf. Im Panel soll ein Einblick in das rasant wachsende Feld der digitalen Archivierung und Methoden anhand konkreter praktischer Beispiele gegeben werden.


Chair: Klaudija Sabo (Wien)

Wolfram Dornik (Graz): Kommt das „Digital Dark Age“? Digitale Überlieferungsbildung und Perspektiven einer Historiographie in der Zukunft

In den späten 1990er-Jahren kursierte das Schlagwort „Digital Dark Age“. Viele der digitalen Daten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren damals bereits unwiederbringlich verloren. Seit der Jahrtausendwende wurden im Archivwesen Methoden zur Sicherung der digitalen Überlieferung entwickelt (OAIS). Wenn auch die Praxis in vielen archivischen Bereichen noch zu wünschen übrig lässt, so scheint Licht in die digital(isiert)en „Lebenswelten“ zu kommen. Doch, wie sieht es auf der Seite der Historiographie bzw. universitären Ausbildung aus? Kann die heute und morgen ausgebildete WissenschafterInnen-Generation überhaupt digitale Quellen („born digitals“) auswerten? Wie kann Quellenkritik aussehen, in der das Prinzip des „Originals“ von jenem der „Informationsüberlieferung“ abgelöst wurde? Der Beitrag nähert sich durch eine Diskussion der aktuellen historiographischen und archivischen Methoden den aufgeworfenen Fragen, zeigt Perspektiven einer anderen wissenschaftlichen Methodik auf.

Eva Pfanzelter (Innsbruck): Das Erzählen von Geschichte(n) mit Daten aus der Wayback-Machine

Die Wayback-Machine des Internet Archive ist nach wie vor die primäre Zugangsseite zum Erhalt von Screenshots von Websites. Die Betreiber des ältesten und umfangreichsten Online-Archives brüsten sich damit, durch ihr Projekt ein Vergessen von jemals im Netz vorhandenen Daten zu verunmöglichen. Das Internet Archive stellt tatsächlich für manche Institutionen die einzig mögliche Archivierung ihrer digitalen Inhalte dar. Doch wie können HistorikerInnen mit diesen Inhalten umgehen? Wie kommen sie zu den Screenshots, wie können sie analysiert werden und wie kann daraus schließlich eine historische Erzählung entstehen? Und: Welche Kenntnisse und Fähigkeiten müssten HistorikerInnen besitzen, um in der digitalen Welt angemessen mit diesen neuen Quellenkorpora umgehen zu können? Diesen Fragen soll im vorgeschlagenen Vortrag nachgegangen werden.

Eugen Pfister (Wien): Was heißt und zu welchem Ende analysiert man historische Diskurse in Social Media?

In den sozialen Medien begegnen wir dem gesamten Kaleidoskop menschlicher Interaktion und Selbstinszenierung. Zumindest dem Anschein nach auf Augenhöhe kommunizieren und inszenieren hier PräsidentInnen, KünstlerInnen, Kleingartenvereine und Konzerne. Von verschwommenen Partyschnapschüssen und ominösen „Duckface-Selfies“ über launige „Statusmeldungen“, politische Slogans, „Internet-Memes“ und Urlaubsphotographien bis zur sorgfältig komponierten Pressephotographie und seriellen Romanen reicht das kunterbunte Treiben. Es eröffnen sich hier der Forschung ganz neue Formen von politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Diskursen, wobei sich die Frage stellt, wie neu diese Diskursformen wirklich sind. Im Vortrag soll deshalb der Frage nachgegangen werden, ob sich eine genuin historische Diskursanalyse auf Social Media anwenden lässt beziehungsweise was der Beitrag einer solchen historischen Diskursanalyse in Social Media zum besseren Verständnis unserer Gesellschaft sein könnte.