7 I Tabuisierte Geschichte. Die Lebensgeschichten von Kindern Schwarzer US-Besatzungssoldaten und österreichischer Frauen zwischen Tabuisierung, wissenschaftlicher Aufarbeitung und Musealisierung

 
5. April 2018
14:15–15:45
Seminarraum 7

 

Philipp Rohrbach (Wien)
„Damit der öffentlichen Hand keine unnötigen Kosten entstehen“ Kinder von Schwarzen US-Besatzungssoldaten und österreichischen Frauen zwischen rassistischer Ausgrenzung, Fürsorge und Auslandsadoptionen

Niko Wahl (Wien)
Das Private ausstellen. Herausforderungen und Erfahrungen anhand des Ausstellungsprojektes SchwarzÖsterreich. Die Kinder afroamerikanischer Besatzungssoldaten (2016)

Vanessa Spanbauer (Wien)
Zwischen Schwarz und weiß? – Die Suche nach adäquaten Begriffen

 

Die Lebensgeschichten von Kindern Schwarzer US-Besatzungssoldaten und österreichischer Frauen waren lange tabuisiert. Sie wurden erst 2013 durch das Forschungsprojekt „Lost in Administration“ systematisch untersucht. Basierend auf narrativen Interviews und Archivrecherchen erforschten Historiker_innen die Biografien und den (fürsorge-) politischen Umgang mit dieser Gruppe. Auf Wunsch zahlreicher Interviewter entstand 2016 die Ausstellung „SchwarzÖsterreich. Die Kinder afroamerikanischer Besatzungssoldaten“, deren Ziel es war eine Öffentlichkeit für deren schwierigen Lebensgeschichten zu schaffen: Welche Erfahrungen machten Kinder Schwarzer GIs im postnationalsozialistischen Österreich? Wie kann im Ausstellungsbetrieb mit sensiblen Lebensgeschichten verantwortungsvoll umgegangen werden? Welchen Begriff verwendet man für eine Personengruppe, die noch keine kollektive Identität herausgebildet hat? Fragen wie diese sollen im vorliegenden Panel erörtert und diskutiert werden.

 

Chair: Albert Lichtblau (Salzburg)

Philipp Rohrbach (Wien): „Damit der öffentlichen Hand keine unnötigen Kosten entstehen“ Kinder von Schwarzen US-Besatzungssoldaten und österreichischen Frauen zwischen rassistischer Ausgrenzung, Fürsorge und Auslandsadoptionen

Zwischen 1945 und 1956 kamen in Österreich etwa 350 bis 400 Kinder von Schwarzen US-Besatzungssoldaten und österreichischen Frauen auf die Welt. Sie wurden in eine postnationalsozialistische Gesellschaft hineingeboren, die sich selbst als ausschließlich weiß definierte. In der Bevölkerung verankerte nationalistische und/oder ‚sittliche’ Anschauungen sowie noch nachwirkende rassistische NS-Ideologeme trugen dazu bei, dass die Kinder und ihre Mütter häufig mit Ausgrenzung und Diskriminierung zu kämpfen hatten. Darüber hinausgehend mussten sie mit den Behörden zurechtkommen, die die Amtsvormundschaft über die – meist unehelich geborenen – Kinder innehatten. Im vorliegenden Beitrag sollen die Erfahrungen von Kindern Schwarzer GIs skizziert werden. Ein besonderer Fokus wird dabei auf die Fürsorgepolitik in Oberösterreich, Salzburg und Wien (ehemalige amerikanische Besatzungszone) dieser Personengruppe gegenüber und auf die Motive der Jugendämter gelegt werden, zahlreiche Kinder zur Adoption in die USA freizugeben.

Niko Wahl (Wien): Das Private ausstellen. Herausforderungen und Erfahrungen anhand des Ausstellungsprojektes SchwarzÖsterreich. Die Kinder afroamerikanischer Besatzungssoldaten (2016)

Beim Ausstellen zeithistorischer Inhalte geht es immer darum dem Publikum eine Geschichte zu vermitteln, indem man Einblicke ermöglicht und vielfach bislang ungesehenes Material zeigt. Gerade die Arbeit mit Zeitzeug_innen fördert oft intime Inhalte, psychische Verletzungen und grundlegend private Aussagen zu Tage, die verantwortungsvolle Kurator_innen vor die Frage stellen – wie man diese einer Öffentlichkeit vermitteln kann, ohne die Zeitzeug_innen selbst vorzuführen und/oder ihnen zu nahe zu treten. Anhand von Beispielen aus der eigenen Ausstellungspraxis (u.a. Arbeiten zu sexuellen Minderheiten, zu Überlebenden der NS-Konzentrationslager und zu Schwarzen Österreicher_innen) soll dieser Beitrag in kritischer Weise den schmalen Grat zwischen grundlegend Privatem und dessen öffentlicher Vermittlung im Rahmen historischer Praxis skizzieren.

Vanessa Spanbauer (Wien): Zwischen Schwarz und weiß? – Die Suche nach adäquaten Begriffen

Die Biografien von Kinder Schwarzer GIs, die im Rahmen der Ausstellung „SchwarzÖsterreich. Die Kinder afroamerikanischer Besatzungssoldaten“ einer interessierten Öffentlichkeit präsentiert wurden, haben Aspekte offenbart, die im Jahr 2017 aktueller sind denn je. Ausgrenzung, Rassismus und Identitätsfragen sind Themen, mit denen sich Kinder aus biethnischen Familien bis in die Gegenwart auseinandersetzen. Der Umstand einen weißen und einen Schwarzen Elternteil zu haben, ist bereits seit langem Teil der österreichischen Geschichte, dennoch existiert bis heute kein geeigneter und anerkannter Begriff für diese Gruppe von Menschen: Im vorliegenden Beitrag wird die Frage behandelt, welche Begriffe in der Wissenschafts- und Ausstellungspraxis für eine Personengruppe verwendet werden können, die noch keine kollektive Identität hervorgebracht hat. Von welchen Begriffen und Diskursen grenzt man sich in diesem Zusammenhang ab und auch welche bezieht man sich positiv, wenn man historische und gegenwärtige gesellschaftliche Ausblendung/Diskriminierung nicht verstärken will?