9 I Antisemitismus unter Muslimen in Österreich im Kontext von Islamfeindlichkeit

 
5. April 2018
16:15–17:45
Seminarraum 4


Bernadette Edtmaier (Salzburg)
Bilder über Juden und Jüdinnen im „globalisierten Klassenzimmer“: Erste Ergebnisse einer qualitativen Studie


Helga Embacher (Salzburg)
Solidarität mit „Palästina“: Die Mobilisierung von Austrotürken im Kontext des Gazakrieges von 2014


Hasan Softic (Salzburg)
Antisemitismus in muslimisch-bosnischen Communities in Österreich  


Alma Mannsberger (Salzburg)
„Bilder im Kopf“: Vorstellungen über Juden, den Holocaust und Israel unter Geflüchteten aus arabisch/muslimischen Ländern  

 

Seit 2000 (=Transfer der Intifada nach Europa) wird über Antisemitismus unter Muslim_innen diskutiert. „Muslimischer Antisemitismus“ wird von unterschiedlichen Seiten instrumentalisiert, u.a. zur Entlastung der Mehrheitsgesellschaft oder zur Rechtfertigung von Islamfeindlichkeit. Gleichzeitig liegen, nicht nur in Österreich, kaum repräsentative quantitative oder qualitative Studien zu Antisemitismus unter Muslim_innen vor, im wissenschaftlichen Diskurs besteht nach wie vor kein Konsens über dessen Ausmaß und Charakter.
Im eingereichten Panel werden erste Ergebnisse zum Antisemitismus unter Geflüchteten sowie in bosnischen und türkischen Communities in Österreich vorgestellt. Ein Beitrag analysiert antisemitische Einstellungen unter muslimischen und nicht-muslimischen Schüler_innen. Alle vier Beiträge beschäftigen sich mit Bildern von Juden, Israel und Palästinensern und der Frage, inwieweit sich Antisemitismus unter Muslim_innen von traditionellem Antisemitismus unterscheidet und ob eine Verbindung von Islamfeindlichkeit und Antisemitismus besteht. Besonderer Wert wird auf die Heterogenität der muslimischen Communities sowie auf Unterschiede innerhalb der Generationen gelegt.

 

Chair: Petra Mayrhofer (Wien)

Bernadette Edtmaier (Salzburg): Bilder über Juden und Jüdinnen im „globalisierten Klassenzimmer“: Erste Ergebnisse einer qualitativen Studie

Folgt man offiziellen Statistiken, so zeichnen sich Klassenzimmer in Österreich im Durchschnitt durch eine zunehmende Heterogenität hinsichtlich Herkunft und Religion der Schüler_innen aus. In diesem Zusammenhang wird auch die Frage diskutiert, wie verbreitet antisemitische Einstellungen im „globalisierten Klassenzimmer“ sind.
Basierend auf ersten Ergebnissen einer qualitativen Studie geht der vorliegende Beitrag folgenden Fragen nach: Welche positiven, neutralen und negativen Bilder über Jüdinnen und Juden äußern die befragten Schüler_innen? Äußern sich die in der Studie untersuchten muslimischen Jugendlichen tatsächlich häufiger und offener antisemitisch als nicht-muslimische? Welche Rolle spielt dabei der Israel-Palästina-Konflikt? Weiters wird thematisiert, welche Schwierigkeiten Kategorien, wie „Muslime“ oder „Migrationshintergrund“ mit sich bringen und wie mit Fällen, die weder eindeutig antisemitisch noch nicht-antisemitisch sind, umgegangen werden kann.

Helga Embacher (Salzburg): Solidarität mit „Palästina“: Die Mobilisierung von Austrotürken im Kontext des Gazakrieges von 2014

Im Vergleich zu Frankreich, Großbritannien oder Belgien fanden in Österreich seit 2000 kaum Angriffe auf jüdische Einrichtungen und einzelne Juden statt und wenn, dann sind sie hauptsächlich dem rechten Milieu zuzuordnen. Erst im Zuge des Gazakrieges von 2014 ließen sich größere Teile der türkischen Community für „Palästina“ mobilisieren, wobei auch Antisemitismus deutlich wurde. Der Vortrag zeigt, dass zum einen diese Mobilisierung in enger Verbindung mit der antiisraelischen Politik von Erdogan zu sehen ist und zum anderen, der damit verbundene Antisemitismus vor allem von der FPÖ instrumentalisiert wurde. Von Interesse ist auch, inwieweit sich dieser Antisemitismus von bereits bekannten Formen (z.B. linken Antizionismus) unterscheidet und ob von einem islamisierten Antisemitismus gesprochen werden kann.

Hasan Softic (Salzburg): Antisemitismus in muslimisch-bosnischen Communities in Österreich

Mit den vermehrten Warnungen vor einem Ansteigen des Antisemitismus durch zunehmende Migrationsströme und Flüchtlinge aus muslimisch/arabischen Ländern gerieten auch andere muslimische Communities, wie die muslimischen Bosnier, in den Fokus der Diskussion. Die ehemaligen Flüchtlinge aus Bosnien galten bislang als gut integriert und erfolgreich, allerdings liegen dazu erst wenige Forschungsergebnisse vor.
In einer qualitativen Untersuchung bosnisch-islamischer Gemeinden in Oberösterreich geht der Vortrag auf Basis problemzentrierter Interviews den Fragen nach, wie sich Antisemitismus in diesen Communities manifestiert, in welchen Formen sich die interviewten Personen antisemitisch äußern, welche stereotypen und/oder antisemitischen Vorstellungen vertreten werden und ebenso wie die Interviewpersonen über diese Thematik sprechen. Schließlich gilt es zu untersuchen, ob im Hinblick auf die ansteigende Islamfeindlichkeit antisemitische Einstellungen unter den befragten Personen begünstigt werden. Von Interesse ist dabei auch, ob sich hinsichtlich der unterschiedlichen Generationen Unterschiede festmachen lassen.

Alma Mannsberger (Salzburg): „Bilder im Kopf“: Vorstellungen über Juden, den Holocaust und Israel unter Geflüchteten aus arabisch/muslimischen Ländern

Während in Deutschland zumindest einige wenige Studien zum Antisemitismus und Vorstellungen über den Holocaust unter Geflüchteten vorliegen, fehlen zu Österreich bislang vergleichbare Studien. Basierend auf bereits rund 50 Interviews mit Geflüchteten aus Afghanistan, Syrien, dem Sudan und Irak werden folgende Fragen thematisiert: Welche Bilder finden sich zu Juden, Israel und „Palästina“, wird zwischen Israel und Juden unterschieden und welche Vorstellungen gibt es über den Holocaust (häufig ist der Begriff unbekannt) und den Nationalsozialismus. Von Interesse ist weiters, ob die Ergebnisse innerhalb der unterschiedlichen Flüchtlingsgruppen variieren und ob es sich eruieren lässt, auf welchen Grundlagen gewisse Bilder basieren.